Haben Sie mal etwas Zeit für sich selbst? Oder fühlen Sie sich schon seit einiger Zeit wie im Hamsterrad gefangen? Angehörigenpflege, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, ist für viele pflegende Töchter und Schwiegertöchter eine große Herausforderung. Ihre inneren Antreiberinnen wachen ständig über die Erfüllung der Aufgaben auf niemals endenden To-Do-Listen. Mit vier entscheidenden Fragen holen Sie sich die Kontrolle über Ihre Aufgabenliste zurück!

 

Liste der inneren Antreiber

Erkennen Sie Ihre inneren Antreiber

Viele der Frauen, die heute Angehörigenpflege übernehmen, sind Kinder von Kriegskindern. Und damit mit einem ganz besonderen Mantra erzogen worden

– Sei immer nett!

– Mache alles richtig!

– Sei fleißig – Sei schnell!

– Sei stark!

– Sei besonders!- Aber auch: Nimm dich nicht so wichtig!

 

Menschen, die ihre Kindheit und früheste Jugend im Krieg erlebt hatten, haben als Eltern ihre eigenen Kinder oft mit mehr Regelungen als gezeigter Empathie beim Aufwachsen begleitet.  Dabei sind diese Sätze und verdeckten Aufträge den heute längst Erwachsenen „in Fleisch und Blut übergegangen“ und nun als innere Stimmen weiter aktiv.

Im Blogartikel über Kriegsenkel und Elternpflege habe ich den Generationenkonflikt zwischen Kriegskindern und Kriegsenkeln genauer beschrieben.Viele Menschen der Kriegsenkel-Generation brauchen heute niemanden mehr, der sie antreibt. Diese Rolle haben innere Stimmen übernommen.

Das ist nicht automatisch schlecht, denn schließlich sind Sie damit bis hierher gekommen. So manches Mal haben Ihnen Genauigkeit, Schnelligkeit oder Stärke Türen geöffnet und Sie dahin gebracht, wo Sie hinwollten. Tragisch wird es dann, wenn einer dieser Antriebe (oder auch mehrere) anfängt, Ihr Leben zu bestimmen.

In unserer Familie regierte der Satz: „Ob du Recht hast oder Unrecht – Unfreundlichkeit ist immer schlecht!“ Dieser Satz wurde von meiner Mutter und meinem Großvater, also ihrem Vater, vehement vorgetragen. Vermutlich lebt er schon viele Generationen lang in unserer Familie. Und im Prinzip ist es ja auch in Ordnung, solange es um die wertschätzende Kommunikationskultur geht.

Besonders in Stresssituationen behalten innere Antreiber im Erwachsenleben immer noch die Oberhand. Dann führt „Sei nett!“ in Kombination mit „Nimm dich nicht so wichtig“ dazu, dass Sie die eigene Meinung nicht offen vertreten oder ungeliebte Zusatzaufgaben von anderen Menschen übernehmen, obwohl Sie das eigentlich nicht möchten. Und das alles nur, weil Sie nicht gelernt haben, freundlich und wertschätzend „Nein“ zu sagen. Und schwuppdiwupp steht die nächste Aufgabe auf Ihrer To-Do-Liste.

Insgeheim ärgern Sie sich darüber, dass diese Liste immer länger wird. Denn das bedeutet letztendlich auch, dass Sie wieder etwas Schönes (das Kaffeetrinken mit der Freundin, den Walkingtreff der Mädels aus dem Ort, den Kino-Abend oder den Sonntag auf dem Sofa) dafür aufgeben.

Wer Pflegeverantwortung für einen Angehörigen übernommen hat, der erlebt, wie sich dieses Procedere potenziert. Neben Beruf, Familie und Hobbys tut sich ein völlig neues Aufgabenfeld auf. Ein Feld das anfangs den meisten Angehörigen noch völlig unbekannt ist. Es ist mühevoll, alle notwendigen Informationen zu besorgen. Es fühlt sich mitunter an wie ein nicht enden wollender Kampf gegen die Krankheit, gegen unverständliche Verhaltensweisen des Angehörigen, gegen die Mühlen der Bürokratie.

Demenz ist eine fortschreitende Erkrankung, die nur wenig Zeit zum Luftholen lässt. Viele Angehörige beschreiben, wie sich immer gerade dann, wenn sie glauben, ein Problem grundsätzlich gelöst zu haben, eine neue Baustelle auftut. Töchter und Schwiegertöchter, die diese Aufgaben übernehmen, werden dabei schleichend, zunehmend und scheinbar unvermeidlich mit immer mehr Aufgaben belastet. Mich erstaunt dabei immer wieder, wie viele von ihnen sich dennoch nicht als pflegende Angehörige bezeichnen, weil ih ihren Augen dazu auch die Übernahme der Körperpflege und der Verbandswechsel gehören. Doch auch ohne diese sogenannten körpernahen Pflegeaufgaben füllt sich die To-Do-Liste dieser Frauen immer mehr.

Und dann sind es plötzlich auch die eigenen Arztbesuche (lass mal, so schlimm ist das doch nicht), das gesunde selbstgekochte Essen (ich hole schnell was unterwegs) und am Ende gar der erholsame Nachtschlaf, die auf der Strecke bleiben.

Stopp! Gesund ist das nicht! Ehe sich Ihre niemals endende To-Do-Liste in einen Herzinfarkt oder ein Magengeschwür verwandeln darf, mache ich Ihnen einen Vorschlag:

Stehen Sie selbst auf Ihrer To Do Liste

Ab hier brauchen Sie eine Not-To-Do-Liste

Wenn Sie selbst auf Ihrer eigenen To-Do-Liste nicht mehr vorkommen, dann brauchen Sie eine Not-To-Do-Liste. Was ist denn das, fragen Sie sich womöglich gerade. Ich hoffe mit gespannter Neugier und vielleicht auch etwas Vorfreude.

Ich meine: Sie brauchen eine Liste mit den Aufgaben, die Sie nicht oder nicht mehr tun werden. Eine Liste, die Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubert, wenn Sie nur daran denken und die Sie fortan immer 100prozentig erfüllen.

Ich verspreche Ihnen, das macht Spaß, sorgt für Freiräume und einen entspannten Nachtschlaf. Auf meiner Not-To-Do-Liste stehen Dinge

Mich schuldig fühlen, weil ich meine Mutter nicht mehrmals pro Woche besuche.

Immer sofort reagieren, wenn jemand einen berechtigten Wunsch äußert.

Beratungstermine am Wochenende zusagen.

Die ganze Welt retten wollen.

Alles Dinge, die ich von meiner To-Do-Liste gestrichen habe. Auf die ich gut verzichten kann.

In den Zeiten, in denen meine Mutter noch zu Hause lebte, waren es auch Aufgaben, die durchaus notwendig waren, oder die ich auf mich zukommen sah:

  • Bei meiner Mutter Bad und Fenster putzen (Wozu gibt es Hauswirtschaftsdienste?)
  • Mich um ihre Mahlzeiten kümmern (Delegiert an Pflegedienst, Lokalen Imbiss und einen Hobbykoch in der Familie)
  • Unterstützung bei der Körperpflege (Das wäre einfach nicht mein Ding gewesen)

Und nein, ich bin deshalb keineswegs eine Rabentochter. Und ja, es war ein Lernprozess und der fiel und fällt auch heute nicht immer leicht.

Selbstfürsorge Reha

Wie ich um ein Haar meine Reha abgebrochen hätte und was ich dabei gelernt habe

Jahrelang war ich Hauptpflegeperson meiner Mutter, die 50 km entfernt allein in ihrer gewohnten Altneubau-Wohnung wohnen bleiben sollte, solange es ging.

Mein Bruder wohnt 500 Kilometer entfernt und übernahm bei seinen selteneren Besuchen vor allem die schweren Aufgaben wie die Balkonbepflanzung, Reparaturen oder die Anschaffung eines neuen Sessels. Ich dagegen war für das alltägliche Klein-Klein zuständig, die Einkäufe, die Arztbesuche, die Organisation der Hilfen.

Ich hatte gerade die erste Reha-Woche hinter mir, als mein Telefon eines Abends Sturm klingelte. Obwohl ich mit dem Pflegedienst die Vertretungs-Kontakte vorab geklärt hatte, war dort offensichtlich doch nur meine Telefonnummer gespeichert. Es gab einen Vorfall, der erforderte, dass jemand von uns sofort vor Ort fahren musste. Also sah ich mich schon meinen Koffer packen und noch am Abend 200 Kilometer nach Hause fahren. Ade liebe Erholungskur. Willkommen Burnout.

Zum Glück reagierte meine Familie sofort, als ich meine Rückkehr ankündigte. Erstaunlicherweise fand sich eine Lösung, die mich gar nicht brauchte. Schließlich können im Ernstfall auch andere mal alles stehen und liegen lassen. Mein Bruder nahm Urlaub. Innerhalb von fünf Tagen war zu Hause alles neu organisiert worden, der Pflegedienst kam noch öfter, einer unserer Söhne übernahm regelmäßige Oma-Tage und noch mehr Nachbarn besaßen einen Ersatzschlüssel für alle Fälle.

Es ging also auch ohne mich. Ohne Widerspruch ließ ich zu, dass die Reha um eine weitere Woche verlängert wurde. Schließlich wollte ich das System, das da gerade in eine neue Balance kam, nicht stören.

Zugegeben, etwas braucht etwas Mut, so eine Erfahrung zu machen. Und es braucht die Gelassenheit, zuzulassen, dass andere Menschen die Dinge anders angehen, als Sie selbst es getan hätten.

Selbstfürsorge - Diese Fragen sollten Sie sich stellen

To-Do-Liste oder Not-To-Do-Liste: Vier entscheidende Fragen 

Als pflegender Angehörigen stellt sich Ihnen Tag für Tag eine Fülle von Aufgaben – es sind quasi nachwachsende Rohstoffe. Wenn Sie nicht beginnen zu selektieren, werden Sie früher oder später eine Aufgabenliste vor sich haben, die Sie schon am Morgen schaudern lässt.

Darum hilft es, die Liste etwas pragmatischer zu betrachten. Denn nicht alle To-Dos auf Ihrem Zettel sind wirklich NOT-wendig. Einige davon hat Ihnen der innere Antreiber untergejubelt. Und weil Sie’s können, weil es Ihnen leichtfällt, weil es guttut, gebraucht zu werden, haben Sie diese Arbeiten angenommen und zu den Ihrigen erklärt.

Auch den Grad der Perfektion, mit der Dinge erledigt werden, dürfen Sie hinterfragen. Wie oft müssen Fenster geputzt werden? Ist es in Ordnung, wenn das, was sich Ihre Mutter selbst noch kocht, zwar irgendwie nahrhaft, aber keine Mahlzeit mit im klassischen Sinne ist (Eine Nachbarin aß oft Kartoffeln mit Haferflocken.) Müssen in der Vorweihnachtszeit wirklich alle Räuchermännchen, Nussknacker und Kerzenständer aufgestellt werden oder tut es auch ein vorgefertigter Kranz oder Strauß aus der Gärtnerei?

Einmal geht das schon. Vielleicht. Doch wenn Sie nicht aufpassen, passiert diese kleinen Grenzüberschreitungen wieder und wieder. Sie opfern sich auf und leben zunehmend ein Leben, in dem Sie selbst immer weniger vorkommen.

Ich habe für Sie vier Fragen, anhand derer Sie erkennen, ob eine Aufgabe auf Ihre To-Do-Liste oder auf Ihre Not-To-Do-Liste gehört. 

Muss es überhaupt getan werden?

Muss es in dieser Weise getan werden?

Muss und will ich das tun?

Muss es jetzt getan werden?

Selbstfürsorge Demenz - kostbares Ja

Lassen Sie Ihr Ja kostbar sein

Verstehen Sie mich richtig. Es ist in Ordnung, wenn Ihre To-Do-Liste niemals leer ist. Das ist nicht notwendig, denn morgen ist ja auch noch ein Tag und übermorgen noch einer. Auch da wollen Sie gebraucht werden und die wichtigen, richtigen und notwendigen Dinge tun.

Und es ist auch in Ordnung, sich gut um seine Mitmenschen zu kümmern. Die Qualität Ihrer Beziehungen zu anderen Menschen sagt ja auch etwas über Sie selbst aus.

Doch Sie dürfen trotz allem die Hoheit über Ihre Aufgabenliste haben und entscheiden auf welche Liste eine Tätigkeit wandert.

To-Do oder Not-To-Do, das ist die Frage.

Mit einer Not-To-Do-Liste, die Ihren Werten entspricht, gewinnen Sie Zeit und Energie für all die Dinge in Ihrem Leben, die Ihnen ebenso wichtig sind. Ihre eigene Gesundheit, Ihr Beruf, Ihre Partnerschaft, Ihre Kinder, Freunde, Hobbys und genügend Zeit zum Nichts-Tun. Zeit, in der Sie Ihre Akkus wieder auffüllen, weil Sie eben keine Duracell-Häschen sind, das immer auf Hochtouren läuft.

Alles wird viel klarer.

Ihr Nein ist ein Nein – und zwar kein trotziges, verschämtes Nein, sondern eins mit einem Ja zu sich selbst, zu den Prioritäten, die Sie selbst gesetzt haben. Für sich selbst und für andere.

Vor allem aber: Ihr Ja ist ein Ja – und kein „Wenn’s sein muss!“ Es ist ein Ja, das von Herzen kommt und in Beziehung geht. Es ist das Ja derer, die aus vollem Herzen leben. 

Die Zeit, die Sie mit Ihrem Angehörigen verbringen, gewinnt dadurch an Tiefe. 

 

Manchmal ist die Aufgabenliste pflegender Angehöriger so lang, dass sie gar nicht wissen, wo sie überhaupt kürzen können. Vor allem dann, wenn der pflegebedürftige Mensch alle Hilfe von anderen Personen ablehnt

Dann zögern Sie nicht und vereinbaren Sie einen Termin für ein Kurzzeit-Coaching. Gemeinsam finden wir die nächsten Schritte für eine kürzere Liste und mehr Freiraum im eigenen Leben.

 

1:1 Coaching für Angehörige

Die Begleitung eines Menschen mit Alzheimer oder einer anderen Demenzform währt viele Jahre und stellt Sie immer wieder vor neue physische, psychische, soziale und manchmal auch finanzielle Herausforderungen.

Im Coaching entwickeln Sie Ihre persöniche Strategie, damit umzugehen und sich gleichzeitig ihre Energie und Lebensfreude zu bewahren.

Pflegezeit ist Lebenszeit.

Ihre Demenzberaterin

Demenzberaterin Eva Helms

Dieser Artikel erschien zuerst 11/2021 und wurde 04/2023 überarbeitet.

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Coaching mit Stift und Farbe